Blended Learning ist kein neues, hippes Konzept. Im Gegenteil, der Begriff wurde unter Bildungsexperten schon kurz nach der Jahrtausendwende immer häufiger diskutiert. Zu dem Zeitpunkt war die Enttäuschung über die klassischen E-Learnings (sogenannte Web Based Trainings oder kurz WBTs) groß. Das isolierte Lernen am Computer hatte nicht den erhofften Lernerfolg gebracht. Die neue Hoffnung lag auf dem Blended Learning, denn damit sollten die Vorteile von Präsenzveranstaltungen und E-Learning kombiniert werden. Diese Kombination aus offline und online ist heute noch eine weit verbreitete Blended Learning Definition, doch sie ist nicht die einzige und der Begriff wird sehr unterschiedlich verwendet.
In diesem Blogartikel lade ich dich ein, mit mir in die vielfältige Welt des Blended Learnings einzutauchen. Womöglich entdeckst du eine völlig neue Seite an diesem Begriff!
Ein Begriff – vielen Definitionen und alternative Bezeichnungen
Blended Learning ist nicht nur schlecht definiert, sondern es gibt zudem auch einige alternative Bezeichnungen.
In Blended Learning steckt das englische Wort „blend“. Hier wird etwas vermischt. Was genau, schauen wir uns gleich noch in den Definitionen an. Die Vermischung ist auf jeden Fall integrativ, d.h. das, was vermischt wird, ist miteinander verbunden und erhält als Ganzes einen besonderen Wert. Du kannst dir das wie ein Puzzle vorstellen, welches zwar aus einzelnen Puzzlestücken besteht, jedoch erst durch das richtige Zusammensetzen dieser Teile Sinn ergibt. Deshalb sprechen einige auch vom integrierten Lernen. Weitere Alternativbezeichnungen sind Lernen im Medienverbund, hybrides Lernen oder hybride Lernarrangements.
Seit Corona haben hybride Lernarrangements allerdings eine völlig neue Bedeutung bekommen. Wenn du den Begriff heute hörst, dann wird darunter vermutlich ein synchrones Lernsetting verstanden, bei dem ein Teil der Teilnehmenden vor Ort ist, während die restlichen Teilnehmenden sich online zuschalten.
Ich selbst spreche von Blended Learning. Im weiteren Verlauf werde ich daher ausschließlich diesen Begriff verwenden.
Eine weitverbreitete Blended Learning Definition
Falls du schon einmal Berührungspunkte mit dem Begriff hattest, dann kennst du vermutlich diese Definition:
Blended Learning bezeichnet eine Lehr-/Lernform, bei der die Vorteile von traditionellen Lehrformen und E-Learning kombiniert werden.
Blended Learning kombiniert bei dieser Definition das Beste aus Präsenzveranstaltungen und digitalen Lernformaten. Hier wird der Kontrast von online und offline sehr deutlich.
Ein Blended Learning gleich selten dem anderen und es gibt unendlich viele Umsetzungsmöglichkeiten. Zur Veranschaulichung möchte ich dir an dieser Stelle zwei mögliche Umsetzungen vorstellen.
Eine Variante teilt zum Beispiel das Lernangebot in drei Phasen auf. Das kann unter anderem wie ein Sandwich zusammengesetzt sein:
- Brot (online): Vorbereitungsphase im Selbststudium
- Belag (offline): Präsenzphase
- Brot (online): Transferphase
Eine andere mögliche Umsetzung stellt das Flipped Classroom Konzept dar:
- Videos zur Wissensvermittlung im Selbststudium (online)
- Übungen, um das Gelernte zu vertiefen (offline)
Blended Learning im Wandel
Diese weitverbreitete Definition von Präsenzveranstaltung in Kombination mit digitalen Lernmedien ist meiner Meinung nach für unsere heutige Zeit viel zu eng gefasst, denn wenn wir an die Zeit zurückdenken als der Begriff aufkam, dann wird uns schnell klar, dass die Digitalisierung seither enorm vorangeschritten ist.
Vor 20 Jahren waren wir noch nicht mit Smartphones in der Tasche unterwegs und quasi immer und überall online. D.h. eine Trennung von offline und online war etwas Natürliches. Heute ist diese Trennung jedoch künstlich. Wir können schließlich auch während einer Präsenzveranstaltung online sein und gleichzeitig digitale (Lern-)Medien nutzen.
Vor dem Hintergrund der technischen Entwicklungen verändern sich auch die Möglichkeiten für die Gestaltung eines Blended Learning Angebots. Über mobile Endgeräte sind wir im mobilen Internet in den sozialen Medien unterwegs. Wir tauschen uns völlig selbstverständlich mit Menschen am anderen Ende der Welt aus, nutzen Cloud Services und treffen uns in Videokonferenztools.
Apropos Videokonferenztools, dazu habe ich eine kleine Anekdote, die meinen Punkt noch besser verdeutlicht: Ich habe 2008/2009 eine Weiterbildung zur Expertin für neue Lerntechnologien gemacht. Ein Inhaltsblock bezog sich auf Live-Online-Veranstaltungen und ein Teil der Inhalte wurde über genau dieses Format in einem Videokonferenztool vermittelt. Mit schlechter Internetverbindung und ohne Videobild war das allerdings sehr zäh. Die Interaktionsmöglichkeiten waren eingeschränkt und es war sehr schwierig eine vertrauensvolle Lernatmosphäre zu erzeugen. Die Einsatzszenarien waren zwar damals schon spannend, doch zu dem Zeitpunkt hätte ich niemals gesagt, dass ein gut gemachtes Live-Online-Training ein Ersatz für ein Präsenztraining sein kann.
Heute sehe ich das anders und behaupte, dass dies durchaus der Fall sein kann! Natürlich bedeutet das nicht, dass jedes Live-Online-Training oder Webinar ein großartiges Lernerlebnis darstellt, aber das ist ja auch bei Präsenzveranstaltungen nicht der Fall. Letztlich hängt es immer davon ab, wie die Veranstaltung gestaltet wird – völlig gleich, ob online oder offline. Selbstverständlich haben Live-Online-Trainings auch Grenzen, doch für manche Themen eignen sie sich hervorragend anstelle einer Präsenzveranstaltung.
Durch Corona hat fast jeder von uns Erfahrungen in Zoom und Co. gemacht und viele haben festgestellt, dass online viel mehr möglich ist als bisher angenommen. Genau das liegt an den technologischen Entwicklungen, die dazu führen, dass sich die Gestaltungsmöglichkeiten für ein Blended Learning immer weiterentwickeln. Und das ist auch der Grund, warum eine Definition, die auf den Kontrast von Online und Offline Bezug nimmt, heute nicht mehr ausreichend ist.
Blended Learning ist mehr als der Mix aus Präsenzveranstaltung und Online-Lernen
Gezielte Zusammenstellung unterschiedlicher Elemente
Kommen wir nun zu einer Definition, die ich viel treffender finde:
Blended Learning bezeichnet jedes Lehr-/Lernarrangement, das gezielt unterschiedliche Lehr-/Lernformen, Methoden und Medien integriert.
Die Frage, ob Online- oder Präsenzphase, rückt bei dieser Definition in den Hintergrund. Das ist nicht verwunderlich, denn digitale Lernmedien kannst du auch während einer Präsenzphase einsetzen, z.B. indem du ein Padlet in einer Präsenzveranstaltung nutzt.
Bei dieser Definition geht es in erster Linie um die vielfältigen Elemente (also die einzelnen Puzzleteile), die aufeinander abgestimmt und verzahnt werden. Dies geschieht immer mit dem Ziel den Lernprozess bestmöglich zu unterstützen. Das kann in einem Mix aus online und offline sein, muss es aber nicht.
Die Herausforderung beim Blended Learning Design besteht darin, dass für bestimmte Rahmenbedingungen (Lernziele, Zielgruppe, verfügbare Zeit, Curriculum, …) eine geeignete Kombination aus Formaten, Methoden und Medien gefunden werden muss. Der Lehr-/Lernprozess soll methodisch so gestalten werden, dass er auf eine sinnvolle und effektive Weise zur Zielerreichung beiträgt.
Wie auch bei der ersten Blended Learning Definition gibt es in diesem formellen und trainergestützen Lernsetting synchrone und asynchrone Lernphasen. Durch das selbstgesteuerte Lernen in den asynchronen (also zeitversetzten) Phasen übernehmen die Teilnehmenden eine weitaus größere Verantwortung für ihr eigenes Lernen. Hierbei ist ein flexibles und individuelles sowie zeit- und ortsunabhängiges Lernen möglich.
In den synchronen Lernphasen kommen die Teilnehmenden zeitgleich zusammen. Durch diese Verbindlichkeit wird das „Dranbleiben“ erleichtert. Zudem rücken die sozialen Aspekte in den Vordergrund. Neben den zwischenmenschlichen Begegnungen haben der Erfahrungsaustausch in der Gruppe, gemeinsame Ideen entwickeln und Reflexion den nötigen Raum.
Beispiel für ein Blended Learning Design
Lass uns noch einmal auf meine Behauptung von vorhin zurückkommen, dass Live-Online-Trainings ein adäquater Ersatz für Präsenztrainings sein können. Damit meine Gedanken griffiger werden, möchte ich dir ein grobes Blended Learning Design, also einer Konzeption eines Lehr-/Lernarrangements, vorstellen.
Nehmen wir einmal die folgende Situation an: Mehrere TrainerInnen möchten lernen, wie sie selbst ein wirksames und interaktives Live-Online-Training gestalten können. In diesem Fall verschaffe ich mir zunächst einen Überblick über die Rahmenbedingungen und halte fest, was nach dem Lernangebot anders sein soll (Lernziele). Dabei schaue ich immer ganz genau auf die Zielgruppe.
Zwei Fragen, die ich in diesem Zusammenhang immer stelle, sind diese:
- Anwendungssituation: In welcher Situation soll das Gelernte angewandt werden?
- Alltag: Wie sieht der (Arbeits-)Alltag der Teilnehmenden aus?
Die erste Frage ist wichtig, damit ich weiß, wie ich den Lerntransfer durch das Blended Learning unterstützen kann.
Die zweite Frage gibt mir Hinweise, wann Lerngelegenheiten während der Selbstlernphase eingebaut werden können und welches Format sich hierfür besonders eignet.
Ich betrachte nun den gesamten Lernprozess und überlege mir, wann es individuelle Lernphasen braucht und wann der Austausch mit anderen einen besonderen Mehrwert bietet.
Auf der Basis entscheide ich mich für ein Design aus Selbstlernphase und Gruppenterminen:
- Selbstlernphasen bestehend aus einem Medienmix, um unterschiedlichen Lernvorlieben und Bedarfsmomenten gerecht zu werden:
- Kurze Videos
- Texte
- Quizze
- Arbeitsblätter
- Checklisten
- Methodensammlung mit Vorlagen und Tutorials
- Gruppentermine als Live-Online-Training, um die Inhalte zu vertiefen, zu üben und gemeinsam zu reflektieren.
Das komplette Lernangebot beinhaltet bewusst keine einzige Präsenzphase, schließlich ist die Lernsituation ganz nah an der Anwendungssituation, nämlich selbst ein Live-Online-Training umzusetzen. In diesem Fall ist das Blended Learning ohne Präsenzveranstaltungen effizienter und effektiver, um die Lernziele zu erreichen.
Natürlich gibt es auch Themen und Lernziele, bei denen Präsenzphasen die bessere Wahl sind, unter anderen immer dann, wenn Berührungen nötig sind (z.B. um Massagetechniken zu erlernen).
Weitere Blended Learning Definitionen
Das waren tatsächlich noch nicht alle Definitionen von Blended Learning. Keine Sorge, ich möchte dir in diesem Blogartikel keine vollständige Sammlung präsentieren, aber zwei weitere möchte ich noch erwähnen.
Während die bereits genannten Definitionen sich vor allem auf formelle Lernsettings beziehen, gibt es auch weitere, bei denen das informelle Lernen eine wichtige Rolle spielt.
Blended Learning ist die Mischung aus formellem und informellem Lernen.
Ein noch weiteres Verständnis von Blended Learning zeigt diese Definition:
Blended Learning bezeichnet die Anreicherung von Printmedien mit QR-Codes.
Und zum Abschluss möchte ich dir noch meine eigene „Lernraum Design Blended Learning Definition“ verraten. Nein, nein, das war nur ein Scherz. Ich denke, das reicht erst einmal an Definitionen für einen Begriff. Du weißt sowieso schon, dass es für mich vor allem auf das zielgerichtete Zusammenspiel verschiedener Formate, Methoden und Medien ankommt.
Fazit
Blended Learning ist nicht klar definiert und wird sehr unterschiedliche verwendet. Es geht immer um die Kombination aus verschiedenen Elementen, so das jeweils die Vorteile gezielt genutzt werden können. Was in einem Blended Learning Angebot im Detail steckt, weiß man erst, wenn man sich die einzelnen Elemente und ihr Zusammenspiel genauer anschaut.
Hat dich eine der Definitionen überrascht? Kennst du noch eine andere, die du ergänzen möchtest? Hinterlasse mir deine Gedanken als Kommentar!