Hintergrundwissen Lernen -  4 Kommentare  -  12. Oktober 2020


Lerntransfer: 3×3 Methoden für wirksames Training

Ein inspirierendes Training mit engagierten Teilnehmenden ist ein toller Erfolg! Doch der eigentliche Erfolg eines Trainings zeigt sich erst in der gelungenen Anwendung des Gelernten im Arbeitsalltag.
Auch wenn die entscheidende Phase des Lerntransfers erst nach dem Training stattfindet, kannst du ihn auch schon vor und während deinem (Online-)Training fördern. In diesem Blogartikel erwarten dich Hintergrundwissen und Lerntransfer-Methoden, die du online, offline oder in gemischten Lernräumen einsetzen kannst.

Was bedeutet Lerntransfer?

Lerntransfer bezieht sich auf die effektive Übertragung des Lerninhalts auf eine Anwendungssituation. Mit anderen Worten, deine Teilnehmenden können das erworbene Wissen, die Fertigkeiten und Einstellungen in einem bestimmten Kontext, z.B. bei der Arbeit, anwenden.

Ein effektiver Lerntransfer ist eine große Herausforderung, denn der Lernort ist häufig nicht der Anwendungsort. Neben der räumlichen Trennung kommt oft auch noch eine zeitliche Trennung hinzu, denn das Gelernte kann erst zeitverzögert angewandt werden.

Erfolgreicher Lerntransfer
Darstellung basierend auf Brinkenhoff, R. O. (2006): What If Training Really Had to Work.

In Zahlen gesprochen bedeutet das, dass bei einer Gruppe von zwölf Teilnehmenden nur zwei Personen die Inhalte erfolgreich umsetzen können. Acht Personen versuchen es zwar, geben aber letztlich auf. Die übrigen zwei bemühen sich noch nicht einmal und lassen es direkt bleiben.

Das ist ganz schön erschreckend, oder?

Drei Bereiche für einen wirksamen Lerntransfer

Lerntransfer ist eine harte Nuss und sie zu knacken ist nicht einfach. Du ahnst es sicher schon, ich habe dir keine Anleitung mit Gelinggarantie. Selbst mit dem besten Trainingsdesign der Welt kannst du als Trainer nur in gewissem Maße Einfluss auf den Erfolg nehmen. Die Mitverantwortung liegt nämlich auch bei deinen Teilnehmenden und dem Anwendungsumfeld, in dem das Erlernte umgesetzt werden soll.

Ich möchte an der Stelle gar nicht zu tief in die Transferforschung eintauchen. Wichtig ist jedoch, dass du hierüber Bescheid weißt: Es wurden zwölf Stellhebel für einen wirksamen Lerntransfer identifiziert und diese lassen sich in die drei oben genannten Bereiche einordnen. Die zwölf Stellhebel liste ich dir kurz und knapp zur Orientierung auf.

12 Stellhebelfür einen wirksamen  Lerntransfer
Mit zwölf Stellhebeln kann Lerntransfer wirksam umgesetzt werden.
(Darstellung basierend auf Dr. Weinbauer-Heidel, Ina (2016): Was Trainings wirklich wirksam macht. 12 Stellhebel der Transferwirksamkeit.)

Teilnehmende

  1. Transfermotivation: Ich will das!
  2. Selbstwirksamkeit: Ich kann das!
  3. Transfervolition: Ich bleib dran!

Trainingsdesign

  1. Erwartungsklarheit: Mir ist klar, was ich im Training lernen werde.
  2. Inhaltsrelevanz: Das brauche ich für mich persönlich oder meine Arbeit.
  3. Aktives Üben: Ich habe das schon im Training ausprobiert und eingeübt.
  4. Transferplanung: Ich weiß, welche Schritte ich nach dem Training tun werde.

Anwendungsumfeld

  1. Anwendungsmöglichkeit: Ich habe am Arbeitsplatz die Gelegenheit, das Gelernte umzusetzen.
  2. Persönliche Transferkapazität: Ich habe am Arbeitsplatz Zeit und Kapazitäten für die Umsetzung.
  3. Unterstützung durch Vorgesetzte: Meinem Vorgesetzten ist es wichtig.
  4. Unterstützung durch Peers: Meine Kollegen unterstützen mich.
  5. Transfererwartung im Unternehmen: Wenn ich das Gelernte nicht anwende, fällt es auf und ich muss mit negativen Konsequenzen rechnen.

Die Erkenntnis aus der Transferforschung ist, dass nur das Zusammenspiel der drei Bereiche zum erfolgreichen Lerntransfer führen kann. Das belegen übrigens auch die Rückmeldungen von Trainingsteilnehmern, die den Transfer effektiv in den Arbeitsalltag leisten konnten.

Wenn du tiefer in das Thema eintauchen möchtest, dann könnte das praxisnahe Buch „Was Trainings wirklich wirksam macht: 12 Stellhebel der Transferwirksamkeit“ von Dr. Ina Weinbauer-Heidel für dich interessant sein.

Dein Einfluss als Trainer auf die drei Bereiche

Aus den zwölf Stellhebeln können wir viele Anhaltspunkte für ein gutes Lernraum Design ableiten.

Alle drei Bereiche haben eine Mitverantwortung für den erfolgreichen Lerntransfer. Vielleicht denkst du jetzt, du könntest nur auf das Trainingsdesign Einfluss nehmen. Die gute Nachricht ist, dass du auch auf die anderen Bereiche Einfluss nehmen kannst, wenngleich es wirklich knifflig ist. Wie das aussehen kann, schauen wir uns jetzt an. Bitte vergiss jedoch nicht, dass das Thema sehr komplex ist und wir in diesem Blogartikel nur einen kleinen Teil anreißen.

Dein Einfluss auf die Teilnehmenden

Mitentscheidend ist also, wie deine Teilnehmenden zum Training stehen. Finde das idealerweise schon vor dem Training heraus, damit du in deinem Lernraum Design darauf eingehen kannst.

  • Erkennen sie den Sinn und haben sie Interesse am Thema?
  • Sind sie überzeugt, dass der Trainingsinhalt auch funktioniert?
  • Können sie Einfluss nehmen?
  • Haben sie eine Vorstellung vom Ziel, das sie mit dem Training erreichen möchten?

Dein Einfluss auf das Anwendungsumfeld

Auf den Bereich des Anwendungsumfelds können wir häufig am wenigsten Einfluss nehmen. Wenn z.B. der Arbeitgeber den Wert des Trainings nicht erkennt, ist der Lerntransfer für den Teilnehmenden erschwert. Wenn die Teilnehmenden hingegen den nötigen Freiraum zur Anwendung haben, sie in ihrem Transfer begleitet und unterstützt werden, dann kann der Transfer wirksam erfolgen.

Als Trainer kannst du diese Rahmenbedingungen bereits in der Bedarfsklärung unter die Lupe nehmen. Das gibt dir wichtige Hinweise, worauf du den Schwerpunkt setzen solltest. Wenn du davon ausgehen kannst, dass deine Teilnehmenden im Anwendungsumfeld viel Gegenwind bekommen werden, kannst du zum Beispiel im Training einen Schwerpunkt auf den Umgang mit Hindernissen setzen.

Dein Trainingsdesign

Je mehr du über die Teilnehmenden und ihr Umfeld weißt, desto besser kannst du den Lernraum designen. Aber auch unabhängig davon gibt es Elemente, die für den Lerntransfer förderlich sind:

  • Klare Strukturen und einen guten Überblick über das Training, die Inhalte und die Ziele.
  • Abwechslungsreiche Medien und Methodenvielfalt, die zum Lernziel passen.
  • Die Teilnehmenden können sich das benötigte Wissen zur Umsetzung aneignen.
  • Die Inhalte haben eine hohe Relevanz für die Praxis.
  • Deine Teilnehmenden haben einen sicheren Lernraum, um Dinge ausprobieren zu können.
  • Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Erlernte zu wiederholen und zu vertiefen.
  • Die Teilnehmenden können sich austauschen und erhalten neue Perspektiven.
  • Es gibt genügend Raum für Reflexion.

3×3 Lerntransfer-Methoden

Nun möchte ich dir eine kleine Auswahl an Ideen und Tools zur Umsetzung vorstellen. Hiermit kannst du den Lerntransfer in allen Transferphasen unterstützen: vor, während und nach dem Training.

Vor dem Training

In dieser Phase ist es wichtig, dass deine Teilnehmenden wissen, warum sie am Training teilnehmen. Wenn sie jetzt schon die Relevanz für sich erkennen und sich über ihre eigenen Fragen an das Thema oder sogar über ihre Lernziele bewusst sind, hast du einen hervorragenden Anker für das Training.

Füge zum Beispiel der Einladung einen kleinen Arbeitsauftrag bei. Die nachfolgenden Aufträge passen zu nahezu jedem Thema.

Kartenabfrage: Vorkenntnisse & Wünsche

Mit dem Tool Padlet kannst du eine virtuelle Kartenabfrage umsetzen. Das hilft deinen Teilnehmenden sich einzustimmen und du bekommst Hinweise für die Schwerpunkte im Training. In einem anderen Blogartikel erkläre ich dir Schritt für Schritt, wie du ein Padlet erstellen kannst. Alternativ kannst du auch TaskCards nutzen, eine DSGVO-konforme Alternative zu Padlet.

Lerntransfer_Kartenabfrage

Ein Erlebnis schildern

Lass deine Teilnehmenden eine selbst erlebte Situation oder Herausforderung in Zusammenhang mit dem Trainingsthema beschreiben. Das kannst du im Training aufgreifen, um eine Lösung zu erarbeiten. Je nach Thema kannst du die Erlebnisse für die Gruppe öffentlich sammeln, z.B. über Padlet oder TaskCards. Natürlich kannst du sie dir auch im Vorfeld per E-Mail oder ein Umfragetool zuschicken lassen.

Selbsteinschätzung zum Trainingsthema

Durch eine Selbsteinschätzung werden deine Teilnehmenden zu einer Reflexion angeregt, die ihnen hilft, die Relevanz des Trainings zu erkennen.

Hierfür eigenen sich Umfragetools, bei denen du eine Skala anlegen kannst. Alternativ kannst du auch ein Quiz erstellen, das ist jedoch meistens etwas aufwendiger für dich.

Während des Trainings

Insbesondere gegen Ende des Trainings solltest du dem Lerntransfer viel Raum geben. Mit den nachfolgenden drei Methoden kannst du die Abschlussphase designen.

Aktionsplan erstellen

Bereite ein Google-Dokument vor, in dem die Teilnehmenden ihren Aktionsplan festlegen können. Plane zusätzlich etwas Zeit zur Verfeinerung der Aktionen bzw. zur Priorisierung ein. Für den Fall, dass es zu große Ziele oder zu viele Aktionen pro Person sind, kannst du noch einmal nachjustieren.

Lerntransfer Aktionsplan

Video erstellen

Lass deine Teilnehmenden am Ende des Trainings ein kurzes Video (1-2 min) erstellen. Gib ihnen ein paar Leitfragen mit, die sie im Video beantworten können:

  • Was hast du heute gelernt?
  • Was hat dich überrascht?
  • Was wirst du morgen anders machen?

Das Video lässt sich einfach mit dem eigenen Smartphone erstellen. Die Frage ist dann allerdings, wo soll es hochgeladen werden, damit die anderen Teilnehmenden es auch sehen können? Das ist natürlich vom Kontext abhängig und bringt manchmal die ein oder andere Technikhürde mit sich.

Eine Alternative bietet die digitale Pinnwand Padlet. Erstelle eine „Transferpinnwand„, auf dem die Teilnehmenden direkt über die Webcam ein Video aufnehmen und teilen können.

E-Mail an mein zukünftiges Ich

Hilf deinen Teilnehmenden ihr Ziel zu visualisieren und den Weg dorthin zu planen, in dem sie eine E-Mail an ihr zukünftiges Ich schreiben.

  • Wo werde ich in 4 Wochen stehen?
  • Wie bin ich dahin gekommen?

Über FutureMe.org können die Teilnehmenden sich die E-Mail zu einem bestimmten Termin in der Zukunft zustellen lassen und ihren Weg rückblickend reflektieren.

Nach dem Training

Follow-Up-Session

Biete mit etwas Abstand zum Training eine Follow-Up-Session an. In einem virtuellen Raum (z.B. Zoom) könnt ihr eine Stunde für eine gemeinsame Reflexion des bisherigen Weges nutzen, Learnings teilen und die weiteren Schritte definieren.

Transferpatenschaft

Hilf deinen Teilnehmenden bereits während des Trainings einen Transferpaten zu finden. Je besser sich die beiden kennen und verstehen, desto eher werden sie einander unterstützen. Du liest hier sicher schon raus, dass diese Methode nach dem Training nur funktionieren kann, wenn du bereits während des Trainings die Voraussetzungen schaffst.

Neben dem Austausch der Kontaktdaten sollten die Transferpaten die Ziele und Aktionspläne des anderen kennen. Wichtig ist zudem, dass sie den oder besser noch die nächsten Kontaktpunkte vereinbaren (z.B. jeden Mittwoch um 12:00 ein Zoom-Lunch). Ob telefonieren, E-Mails schreiben, whatsappen oder zoomen spielt dabei keine Rolle, denn Form, Zeitpunkt und Frequenz kann jedes Pärchen für sich definieren.

Zusammenfassung für Teamkollegen

Wenn dein Auftraggeber Interesse an einem Wissenstransfer zurück ins Unternehmen hat, dann ist diese Methode sehr nachhaltig für das Unternehmen.

Die Teilnehmenden fassen die Trainingsinhalte zusammen und überlegen sich, wie sie das Wissen und ihre Erkenntnisse am besten an ihre Teamkollegen weitergeben können. Je nach Unternehmen gibt es hierfür unterschiedliche Gefäße: Ein Teammeeting, ein unternehmensinterner Open Space, ein Brown Bag Lunch oder einfach eine gemeinsame Kaffeepause. Auf diese Weise wird zudem das informelle und soziale Lernen in der Organisation gefördert.

Fazit

Effektiver Lerntransfer ist die hohe Kunst eines erfolgreichen Trainings. Er kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten ihren Beitrag leisten: die Teilnehmenden, der Trainer und das Unternehmen.

Durch die Nutzung digitaler Kommunikations- und Kollaborationstools ergeben sich ganz neue Wege, den Transfer ganzheitlich und über längere Zeiträume zu fördern.

Mit welcher Methode hast du deine Teilnehmenden zum Transfererfolg gebracht? Schreib es mir in einem Kommentar.


  • Sinn für die Teilnehmer, klare Vorhaben und ein unterstützendes Umfeld. Wir wissen es, wir wissen aber auch, dass Teilnehmern einzelne dieser Fähigkeiten fehlen. Wer übernimmt dafür Verantwortung? Das ist das ethische Hindernis dahinter.

    • Hi Kaj-Arne,
      danke für deine Gedanken dazu! Für mich gehört zu einem unterstützenden Umfeld auch die Förderung von Selbst(lern)kompetenzen. Erfreulicherweise legen immer mehr Unternehmen Wert darauf 🙂
      Liebe Grüße
      Sandra

  • Hallo Sandra,
    dieses Thema treibt mich schon sehr lange um. Neben Ralf Besser bin ich vor einiger Zeit auch auf das Buch von Dr.Ina gestoßen und hatte das Glück an einem Ihrer Vorträge bei einem OnlineKongress teilzunehmen und gerade einen Online Kurs bei ihr zu besuchen. Schön dass du dieses Thema aufgreift und danke dass du einige Methoden an die Hand gibst, die leicht umsetzbar sind. Viele Grüße Andrea

    • Hi Andrea,
      Lerntransfer ist einfach DAS Thema schlechthin im Training, ob online oder offline ist dabei völlig egal. Leider wird es noch sehr stiefmütterlich behandelt… Umso begeisterter bin ich, dass du so tief in das Thema eintauchst! Dazu würde ich mich gerne mal mit dir austauschen 🙂
      Liebe Grüße
      Sandra

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