Es war 2018 als ich zum ersten Mal einen Lernzirkel selbst erlebte.
Damals nahm ich an einem ‚Working Out Loud‘-Programm teil, ohne genau zu wissen, was mich erwarten würde. Aber schon nach kurzer Zeit war ich beeindruckt, denn die regelmäßigen Treffen in unserer kleinen Gruppe hatten etwas Besonderes.
Diese positive Erfahrung führte dazu, dass ich seitdem immer wieder an Lernzirkeln teilgenommen habe und sie auch in Unternehmen im Rahmen einer ganzheitlichen Corporate Learning Strategie implementiert habe.
Ich freue mich ganz besonders, dass Antje in diesem Gastbeitrag ihre Perspektive auf das Thema mit uns teilt. Sie wird aufzeigen, wie dieses soziale Lernformat gleich doppelt wirkt: Es fördert Zukunftskompetenzen und unterstützt gleichzeitig Transformationsprozesse in der gesamten Organisation.

Antje Holst
Learning Experience Designerin
Antje Holst ist Trainerin und Learning Experience Designerin. Sie steht für personalisierte Lernerfahrungen mit Wirkung.
Antje ist Expertin für Lernzirkel und hat an dem Buch «Die Kraft der Learning Circles» mitgeschrieben, das 2025 erschienen ist.
Antje bringt langjährige Erfahrung in strategischen Change-Projekten mit. Sie ist zertifizierte Coach und Lerncoach.
Ihr aktueller Fokus liegt auf der Gestaltung von Lernzirkeln und effektiver digitaler Zusammenarbeit (mit KI und Menschen).
Als Trainer:in oder Expert:in für Personalentwicklung bist du häufig gefragt, die Veränderungen in der Organisation durch Schulungen zu unterstützen. Das kann eine Herausforderung sein, weil der Zeitaufwand für die Teilnehmenden groß ist, das Budget hoch, und die Schulung nicht immer dazu führt, dass die Teilnehmenden alles umsetzen.
Gleichzeitig nimmt die Geschwindigkeit des Wandels zu. Ständig kommt etwas Neues in die Organisation: nach Remote Work und Office 365 kommt jetzt KI und das sind nur einige der Themen!
Wenn man für alles Schulungen anbietet, dann kommt ja überhaupt niemand mehr zum Arbeiten! Oder?
Wie schön wäre es, wenn wir Formate hätten, in denen Teilnehmende das Gelernte direkt anwenden können und die zudem leicht skalierbar sind?
In diesem Artikel wirst du entdecken, wie das Format Lernzirkel die Veränderungen in deiner Organisation unterstützen kann und welche Vorteile sie haben.
Was sind eigentlich Lernzirkel?
Den Begriff Lernzirkel hast du sicher schon einmal gehört. Auf LinkedIn gibt es häufig Beiträge darüber und mehr und mehr Unternehmen setzen dieses Format ein.
Das bekannteste Lernzirkel-Format ist Working Out Loud (WOL). Hier treffen sich vier bis sechs Menschen einmal pro Woche für eine Stunde, 12 Wochen lang. In dieser Zeit arbeiten sie jeweils an ihren persönlichen Projekten. Ein schriftlicher Leitfaden für die wöchentlichen Treffen gibt ihnen Hilfestellung und kleine Aufgaben. Diese Aufgaben können entweder während der wöchentlichen Treffen erledigt werden oder dazwischen.
Das zweite recht bekannte Format sind die lernOS Leitfäden – hier verfolgen die Teilnehmenden alle das gleiche Ziel. Sie wollen zum Beispiel ihre persönliche Organisation verbessern oder Podcasting erlernen. Auch hier führen schriftliche Leitfäden durch die 12-wöchige Lernreise.
Was macht Lernzirkel besonders?
Zusammensetzung
Typischerweise setzt sich ein Lernzirkel aus Personen unterschiedlicher Teams und Abteilungen zusammen. Sie alle eint das Interesse am Thema. Häufig ist die Teilnahme an einem Lernzirkel freiwillig.
Selbstorganisation
Üblicherweise nimmt an dem Lernzirkel kein Trainer teil, sondern die die Teilnehmenden gefordert, sich selbst in ihrem Lernzirkel zu organisieren. Sie erhalten Struktur durch einen schriftlichen Leitfaden.
Persönliches Projekt und gemeinsamer Austausch
Lernzirkel ermöglichen beides: jede:r Teilnehmende arbeitet an seinem persönlichen Projekt (im Rahmen des übergreifenden Themas) und sie können trotzdem voneinander lernen.
Beim übergreifenden Thema «GenKI-Prompting» kann somit jede:r Teilnehmende an Prompts für ihren Arbeitskontext arbeiten.
Schnelle erste Umsetzungsschritte und erste Erfolge
Lernzirkel ermutigen bereits zu Anfang der Lernreise zu ersten Experimenten und Aufgaben. So erfahren die Teilnehmenden Selbstwirksamkeit und erste Erfolge.
Dauer über mehrere Wochen führt zu Vertrauen
Häufig bauen die Teilnehmenden im Lernzirkel ein besonders vertrauensvolles Verhältnis auf.

Für welche Change-Vorhaben eignen sich Lernzirkel?
In Organisationen kommt es ständig zu Veränderungen: neue Prozesse, neue Software, neue Rollen, neue Produkte, neue Jobs, …
Sind Lernzirkel immer ein geeignetes Format?
Lernzirkel sollten die Möglichkeit bieten, das Gelernte direkt umzusetzen. Wenn es bei einer Schulung hauptsächlich um Informationsvermittlung geht, sind Lernzirkel kein gutes Format.
Lernzirkel sind besonders effektiv, wenn Veränderungen unterschiedliche Folgen für jede Person haben. Beispielsweise arbeiten (fast) alle mit Excel, doch jede:r nutzt das Programm auf seine Weise.
Wenn hingegen eine Software eingeführt wird, die für bestimmte Prozesse immer gleich angewendet wird, sind Schulungen, Selbstlernformate oder Performance Support besser geeignet als Lernzirkel.
Einsatzszenarien
Konkrete Einsatzszenarien können sein:
- Die Einführung einer neuen Software und neuer Prozesse: Lernzirkel erlauben besser zu reflektieren wie sich die eigene Rolle und Zusammenarbeit ändern muss.
- Prompting mit Generativer KI: Lernzirkel erlauben die Anpassung an den eigenen Arbeitskontext
- Onboarding von neuen Mitarbeitenden: Lernzirkel erlauben die Vernetzung und Austausch über Abteilungsgrenzen hinweg.
So unterstützen Lernzirkel die Umsetzung
Häufig ist ein wichtiger Fokus des Change-Managements die Change-Kommunikation.
Wenn die Mitarbeitenden erstmal verstanden haben, warum der Change wichtig, ist, dann werden sie alles tun, um den umzusetzen. Oder?
Im Gegensatz dazu, sind Lernzirkel umsetzungsnah.
Umsetzung konkreter kleiner Projekte
In einem Lernzirkel erhalten die Teilnehmenden relevanten Input für ihr Thema. Sie führen aber auch erste Anwendungsaufgaben, oder bearbeiten sogar ein ganzes Projekt.
Durch einen guten Leitfaden werden die Teilnehmenden jede Woche einen weiteren Schritt durch ihr Projekt geführt, so dass am Ende ein fertiges Konzept, Prototyp oder ähnliches entsteht, der bereits einen direkten Nutzen für die Organisation bringen kann.
Jede:r Teilnehmende kann ein eigenes Projekt bearbeiten oder der Lernzirkel arbeitet an einem gemeinsamen Projekt.
Lernzirkel sind Arbeitszeit
Dadurch entfällt das Problem, dass die Lernenden ihre Arbeitszeit mit Lernen verbringen, da sie bereits nützliche Ergebnisse erarbeiten.
Transfer in das Arbeitsteam
Teilnehmende können ihre Erkenntnisse mit ihrem Arbeitsteam (d.h. den Kollegen in der täglichen Zusammenarbeit) teilen und auf diese Art interessante «Hacks» in den Arbeitsalltag einbringen.
Netzwerk stärken und Communities of Practice
Lernzirkel können ein toller Startpunkt sein, um eine Community of Practice zu gründen, d.h. ein Netzwerk von Mitarbeitenden, die am Thema interessiert sind und sich dazu informell austauschen möchten.

Q&A-Session am 09.12.25 um 16 Uhr
Sind Lernzirkel das richtige Lernformat für deine L&D-Strategie 2026?
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So fördern Lernzirkel Verhaltensveränderungen
Veränderung in Organisationen passiert nur dann, wenn Menschen ihr Verhalten verändern. (Sonst handelt es sich um Automatisierung!)
Das Verhalten zu ändern, ist aber gar nicht so einfach – das wissen alle, die schon mal an guten Vorsätzen gescheitert sind.
Motivation und Willenskraft allein reichen nicht aus!
Was braucht es also?
Zusammenfasst muss ein Mensch willens (also motiviert), fähig und bereit sein, das neue Verhalten zu zeigen.
«Bereit sein» kann auch bedeuten, dass das Umfeld es einem das neue Verhalten erleichtert.

«Bereit» sein
Die Magie der kleinen Schritte
Viele kleine Schritte sind der beste Weg zu einem neuen Verhalten. Oder hast du schon mal probiert, ohne Training einen Marathon zu laufen?
Ein guter Lernzirkel-Leitfaden leitet den Zirkel an, jede Woche einen kleinen Schritt zu machen. So sieht man direkt erste Erfolge und das stärkt die Selbstwirksamkeit. Das wiederum fördert die Motivation, ein anderes wichtiges Element!
Psychologische Sicherheit
Wenn wir etwas lernen wollen, dann ist psychologische Sicherheit extrem wichtig. Psychologische Sicherheit bedeutet, dass wir uns trauen, ehrlich und offen zu sprechen – und zum Beispiel zugeben etwas nicht zu wissen oder Feedback zu geben.
In einem Lernzirkel entsteht im Laufe der Wochen eine viel höhere psychologische Sicherheit als im üblichen Arbeitskontext.
«Fähig» sein
Neue mentale Modelle
Manchmal ist das Fundament eines neuen Verhaltens auch das Überdenken vorheriger Gewissheiten. Es ist leichter neue mentale Modelle (d.h. Grundannahmen über die Welt) zu entwickeln und liebgewordene Sicherheiten loszulassen, wenn man sich über einen längeren Zeitraum im Austausch mit anderen damit auseinandersetzt.
Zum Beispiel ändern sich durch Generative KI gerade unsere Grundannahmen über bestimmte Tätigkeiten – wo man früher Grafikdesigner oder Musiker benötigt hat, kann jetzt die Generative KI Bilder oder Songs erstellen (wenn auch vielleicht seelenlose, aber das ist ein anderes Thema!).
Neue Gewohnheiten
Auch für das Üben von neuem Verhalten und das Aufbauen von neuen Gewohnheiten braucht der Mensch Zeit. Beim ersten Mal ist es immer anstrengend, etwas Neues zu machen, aber mit der Zeit fühlt es sich immer einfacher an. Daher sind Lernzirkel auch häufig 8 oder mehr Wochen lang.
«Willens» sein
Die Change-Kommunikation enthält Botschaften, warum die Veränderung gut ist für die Mitarbeitenden («What’s in it for me»).
In einem Lernzirkel können die Leute den Nutzen für sich selbst in ihrem eigenen Arbeitskontext erfahren. Erste Anwendungen zeigen, dass die Veränderung nicht nur theoretisch ist, sondern zu praktischen Verbesserungen führt.
Ein weiterer Motivator ist das wertschätzende Feedback von den Lernzirkel-Kolleg:innen.
So fördern Lernzirkel Veränderungskompetenzen
Nach der Veränderung ist vor der Veränderung – denn es hört nicht auf. Je besser die Menschen in einer Organisation mit Veränderung umgehen können, desto zukunftsfähiger und resilienter wird die Organisation.
Welche Fähigkeiten helfen Menschen, mit ständiger Veränderung umzugehen?
- Lernbereitschaft, Kreativität und Problemlösungskompetenz stehen ganz vorn bei den Zukunftskompetenzen für Veränderung (auch Future Skills genannt.)
- Kommunikations- und Zusammenarbeitskompetenzen
- Digitale Kompetenzen.
Lernzirkel sind besonders gut geeignet, Kompetenzen zu erlernen, weil man im Laufe der Wochen vieles ausprobieren kann und Feedback erhält.

Welche Veränderungskompetenzen durch Lernzirkeln gestärkt werden
An vorderster Stelle stehen hier die Lernkompetenzen. Je nach Gestaltung des Leitfadens und der Unterstützung durch die Organisatoren lernen die Teilnehmenden sich ein neues Thema mehr oder weniger selbstgesteuert anzueignen.
Zu den Lernkompetenzen gehört die Reflexionskompetenz. Lernzirkel regen regelmäßige Reflexion und Feedback an. Reflexion des eigenen Handelns ist das Fundament eines selbstgesteuerten Lernenden.
Die Kommunikation und Diskursfähigkeit werden gestärkt, sowie die Eigeninitiative und Selbstorganisation.
Meine Lieblings-Zukunftskompetenz ist die Selbstwirksamkeit! Sie gibt mir den Optimismus, dass ich jede Situation zum Besseren wenden kann. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit haben weniger Stress und erreichen ihre Ziele leichter.
Erfolgsfaktoren für Lernzirkel als Change-Turbo
Damit Lernzirkel wirksam werden können, ist vor allem wichtig, dass ihre Ausgestaltung an die Organisationskultur und die Bedürfnisse der Teilnehmenden angepasst wird.
Nach einer ersten Pilotierung eines Themas ist es meist möglich, Lernzirkel auf weitere Mitarbeitende auszuweiten. Der hauptsächliche Aufwand liegt in der Gestaltung des Leitfadens und der Ausgestaltung der Unterstützung durch die Organisatoren.
Die Organisatoren können durch die Ausgestaltung der Lernzirkel bestimmte Veränderungskomptenzen fördern. Zum Beispiel können die Lernzirkel an gemeinsamen Innovationsprojekten arbeiten, um die Innovationsfähigkeit und Zusammenarbeit zu stärken.
Fazit
Ich hoffe, du kannst dir in der Zwischenzeit vorstellen, wie Lernzirkel hilfreich sein können in der Implementierung eures Changes!
Lernzirkel bieten ein frisches Format, das change-müde Mitarbeitende motiviert und Führungskräfte entlastet. Es führt schnell zu ersten Umsetzungserfolgen und erfordert keine oder wenig externe Unterstützung und entsprechende Budgets. Es lässt sich passgenau an eure Situation anpassen und leicht pilotieren.
Wenn du tiefer in das Thema einsteigen möchtest, dann empfehle ich natürlich das Buch «Die Kraft der Learning Circles», an dem ich mitgeschrieben habe.

Kontaktiere mich gern, wenn du dich austauschen möchtest zu Fragen wie:
- Wie man vorgeht, um Lernzirkel aufzusetzen
- Wie man die Führungskräfte einbinden kann
- Wie man sie sinnvoll anpasst an Teilnehmende, Thema und Organisationskultur
- Welche Unterstützung die Lernzirkel von euch Organisatoren benötigen
- Wie du die Lernzirkel als Quelle von Feedback für dein Change Projekt nutzen kannst
